Weißt du, wie es ist, dich selbst nicht als das selbstverständliche, aktive, vertraute, verkörperte "Ich" zu erleben? Oder besser gesagt: Dich eigentlich gar nicht zu erleben?
Sondern eher als etwas Neutrales, Geistiges, Wahrnehmendes? Vielleicht mit einer Art Distanz zu Dingen, Deinem Körper, Gefühlen, Menschen? Das kann je nach Situation gleichsam interessant, lehrreich, entspannend oder auch etwas beängstigend sein. Die persönliche, lebensgeschichtliche Prägung und die aktuelle Verfassung spielen neben der konkreten Situation dabei eine große Rolle.
Dies ist die Fortsetzung des 1.Teils: Ayahuasca, Meditation, Buddhismus.
In diesem Beitrag gehe ich nun weniger auf die reine Wahrnehmung als vielmehr auf die "Entpersönlichung" bzw. den sogenannten "Selbstverlust" ein.
mein persönlicher Bericht
Ich berichte von einer sehr tiefen, persönlichen Erfahrung während eines etwas ungewöhnliches Setting - eine ca. einstündige Massage innerhalb einer ganztägigen Ayahuascazeremonie während eines 5-tägigen Retreats.
Das möchte ich nach meinem langem Schweigen bezüglich solcher Art von Erfahrungen nun mit dir teilen. Dieser Prozess des Sprechens, Schreibens und Teilens ist auch für mich selber relevant, da ich dadurch diese tiefe Erfahrung nun noch einmal in einer ganz anderen Lebensphase aufarbeite, neu betrachte und für mich auswerte, die ich vor bereits vor vielen Jahren gemacht habe und damals weder wirklich verstehen, noch richtig einordnen konnte.
Es ist ein kleiner Ausschnitt aus einer ganztägigen Zeremonie (mit weiteren und anderen Erlebnissen, Wahrnehmungen und Gefühlsverfassungen) als Audiodatei:
Ent-Persönlichung im Buddhismus, durch Psychedelika und in den NeuroWissenschaften
Der folgende Abschnitt ist eher theoretisch und wieder in Zusammenarbeit entstanden. Er schildert das Phänomen des Verlusts für das Gefühls des Selbst in Meditation, durch Psychedelika und in den Neuro-Wissenschaften.
Das Selbst im Buddhismus - illusionär
Der rechte Teil der Illustration im Foto ganz oben ist ein leerer Körper. Er illustriert die "Leere des Selbst" im Buddhismus.
Das Konzept der "Leere" (Emptiness) im Buddhismus meint allerdings nicht "Nichts" oder "Vakuum".
Statt dessen meint es - in diesem Fall - dass das Selbst eine Fabrikation ist, eine vom Geist selbst erzeugte nützliche Illusion. In Wirklichkeit - so der Buddhismus - gibt es aber dieses von uns gefühlte eigenständige Selbst garnicht. Das gibt es so wenig, wie unser Traum-Selbst eigenständig und andauernd existiert - auch das Traum-Selbst ist nur eine selbst-erzeugte Illusion.
Der FB-Lehrer Jackson Peterson beschreibt es so:
Unsere wahre Natur, die reines Gewahrsam oder Buddha Mind oder Rigpa oder Brahman genannt wird, hat keine negativen Emotionen, keine mentalen Zustände, keine Gedanken, kein Leid und keinen Stress. All diese schädlichen Faktoren gehören zur egoischen Persona, der egoischen Identität als Ansammlung positiver und negativer Konditionierungen, sowie zur DNA des individuellen Organismus.
Und dies ist aus dem tibetischen Buch der Toten, das im 14. Jahrhundert in Tibet gefunden wurde. Es beschreibt, wie es durch eine bestimmte Meditation keinen Beobachter oder Zeugen mehr gibt
"...Und im gegenwärtigen Moment, wenn dein Geist in seinem eigenen Zustand verbleibt, ohne etwas zu konstruieren, ist das Gewahrsam in diesem Moment an sich ganz gewöhnlich. Und wenn du auf diese Weise nackt in dich hineinschaust, ohne irgendwelche diskursiven Gedanken, da es nur dieses reine Beobachten gibt, wird man eine klare Klarheit finden, ohne dass jemand da ist, der der Beobachter ist, nur ein nacktes manifestes Gewahrsam ist vorhanden. Dieses Gewahrsam ist leer und makellos rein, es wird durch nichts erschaffen, was auch immer. Es ist authentisch und unverfälscht, ohne jede Dualität von Klarheit und Leere."
Ent-Persönlichung durch Psychedelika
Manchmal sind psychedelische Erfahrungen ein sehr überraschender und schneller Weg zu "mystischen" Erfahrungen, die man in der Meditation vielleicht hat - oder auch nicht. Oder auch spontan mit ein bisschen Glück, durch Zufall oder Übung.
Eine solche Erfahrung ist es, wenn man das Gefühl verliert, ein Ich, ein Selbst, eine Persönlichkeit zu sein. Der Mechanismus, über den dies im Allgemeinen und mit Vereinfachung erklärt wird, ist ( ganz vereinfacht gesagt) das sogenannte Default Mode Network (DMN).
Dies ist ein Netzwerk im Gehirn, das dann aktiv wird, wenn das "Task Mode Network" (TMN) heruntergefahren wird. Sobald man aufhört, sich intensiv mit einer Aufgabe zu befassen, wird das TMN heruntergefahren und das DMN hochgefahren. Als Illustration nimmt man dafür gerne das Herumliegen auf der Couch: kaum liegt man so unfokussiert und gemütlich herum, beginnt der Geist Gedanken über alles Mögliche zu produzieren. Man fängt leicht und unwillkürlich an, zu grübeln. Über sich selber, seine Hoffnungen, Befürchtungen, Enttäuschungen, was man hätte tun oder sagen sollen, allgemein über seine Vergangenheit, Zukunft und natürlich über seine Beziehungen etc... - und nicht immer empfindet man das als positiv!
Dieses Default Mode Network sieht man (vereinfacht gesagt) als den Sitz des Gefühls an, ein Ich bzw. ein getrenntes, eigenes Selbst zu sein. Psychedelika haben die Eigenschaft, dieses DMN herunterzufahren! Dieser dafür zuständige Bereich im Gehirn wird deutlich weniger durchblutet. Dafür werden andere, normalerweise nicht oder weniger aktive Gehirnareale stärker aktiviert und vor allem ganz anders und neu vernetzt.
Nach der Einnahme von Psychedelika ist also das Erleben, NICHT wie gewohnt das eigene, definierte Selbst und selbstverständlich im eigenen vertrauten Körper beheimatet zu sein, chemisch ausgelöst.
Wobei man dazu sagen muss, das im Fall von Ayahuasca der zentrale Wirkstoff DMT ist und dieser Stoff vom Körper sogar selbst produziert werden kann. Zb. im Geburts- und Sterbeprozess oder beim Orgasmus (vor allem beim Cervix-Orgasmus von Frauen).
Das Selbst als ein fabriziertes "Selbst-Modell" in der Neuro-Wissenschaft
Die modernen Neurowissenschaften stimmen mit dem Buddhismus völlig darin überein, dass es kein eigenständiges "Selbst" gibt.
Ja, so ist es, auch wenn wir das subjektiv ganz anders fühlen und es für die meisten schwer vorstellbar ist.
Eine moderne Theorie besagt, dass das Gefühl des "Selbst" ein nützliches Modell ist, das sich das Körper-Gehirn System selbst erschafft. Es ist sozusagen eine Art Avatar, der ein Teil eines gesamten Welt-Modells ist, das sich unser Gehirn von der Außenwelt erschafft.
Zum Lesen oder Hören
Neurowissenschaften:
Wie das Gehirn unser "Selbst" erzeugt (Ted Talk von Anil Seth)
Buddhismus:
No-Self (Jackson Peterson)
Neurowissenschaften und Lokalisation
PS. Dieser Post ist eine Kooperation mit jemand mit dem ich meine Erfahrungen aus der buddhistischen und anderen Perspektiven iinterpretieren und neu integrieren kann.,
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